Das ist Jo

TT-Schüler

Manchmal glaube ich, dass Tischtennis gar kein Einzelsport ist. Ist es ja auch nicht: Wir spielen Doppel, Chinesisch – wieso heißt Rundlauf eigentlich Chinesisch? – und Mannschaftswettkämpfe, bei denen 2, 3, 4 oder 6 Spieler zu einem Team gehören. Am meisten wird aber Einzel gespielt, auch beim Training und da kann es schon mal hoch hergehen: „Idiot, Dummkopf, Vollpfosten, schwul, Pussy, Spast, lahme Sau“, sind nur einige Schimpfworte, die durch die Halle fegen. Das Gute daran, es ist nie der Gegner gemeint, sondern immer der Spieler selbst. Außer beim Doppel, aber das ist ein andere Geschichte.

Hast Du schon mal überlegt, wer gemeint ist, wenn Du Dir zurufst: „Du Vollidiot, so kannst Du doch nicht spielen, das weißt Du doch.“?

Wer redet da eigentlich mit wem?

In der Psychologie spricht man von Persönlichkeitsanteilen und von denen haben wir eine ganze Menge. Schon Freud entdeckte das Es (Lustprinzip), das Ich (bewusstes Denken) und das Über-Ich (Gewissen) und je nachdem, wie genau man sucht, kann man noch viele weitere Bewohner im eigenen Oberstübchen entdecken.

Alle unsere Anteile haben eine gute Absicht. Sie wollen das aus ihrer Sicht Beste für uns erreichen. Da ist z.B. das Lustprinzip, auch innerer Schweinehund genannt. Er schützt uns vor Überanstrengung und sorgt dafür, dass wir das Leben genießen. Oder der Pedant, der nur glücklich ist, wenn alles genau so läuft, wie es geplant war. Oder der innere Antreiber, er will, dass wir uns anstrengen, perfekt sind, denn er hofft dadurch geliebt zu werden.

Meine Theorie: Tischtennisspieler haben einen besonderen Persönlichkeitsanteil, der fürs Tischtennisspielen zuständig ist, nennen wir ihn Jo. Nur wenn Jo alleine einschätzt, welche Geschwindigkeit, Spin und Flughöhe der ankommende Ball hat und er den Rückschlag selbstständig durchführt, kann gut gespielt werden. Das Ich ist also für eine gewisse Zeit ausgeschaltet und das ist auch gut so, denn unser bewusstes Denken ist nicht schnell genug, um einen guten Schlag durchzuführen, das kann nur Jo. Er ist der Spinexperte, er ist der Antizipationskönig und er ist sehr sensibel. Er ist ein kleiner, kreativer Künstler, der sich Zuspruch wünscht, der Anerkennung braucht und der gelobt werden will, wie ein kleines Kind.

Doch Lob und Zuspruch haben wir selbst wahrscheinlich gar nicht genug als Kind abbekommen, da wurden wir vielleicht eher zur Sauberkeit angehalten, sollten nicht rumträumen, nerven und anstrengend sein, sondern stets lieb und artig sein. Kein Wunder, dass wir Jo jetzt genauso behandeln.

Mein Vorschlag: Versuch im nächsten Spiel, kurz bevor das nächste Schimpfwort über Deine Lippen kommt, doch mal Jo in den Arm zu nehmen. Tröste ihn doch mal gedanklich, dass er einen so schlechten Schlag gespielt hat. Und stellt Euch zusammen vor, wie der nächste Schlag viel beserer wird. Dann noch ein gemeinsames Lachen und ich garantiere Dir, Du wirst gewinnen – oder zumindest besser spielen.

Und warum wird Rundlauf nun Chinesisch genannt?

Im Buch „1000 verrückte Tischtennis-Tatsachen“ steht, dass dies angeblich von den immer heiteren Gesichtern der Mitspieler komme, und dies so an das „Land des Lächelns“ erinnere.

Anja holt 3. Platz bei der LBM 2017

Nick, Eliias, Markus und Anja bei LBEM 2017

Nick, Elijah, Markus und Anja

Alles Kopfsache, das weiß jeder Tischtennisspieler. Wenn es läuft, gelingen auch im Wettkampf schwierigste Schläge wie von Geisterhand, unser Gehirn ist im Flow-Zustand, alles fühlt sich einfach an, ein genial, krasses Gefühl. Doch wehe wehe, wenn der Kopf das eigene Spiel sabotiert, dann geht plötzlich gar nichts mehr.

Doch vorne angefangen. Am Samstag fanden die Landesbereichseinzelmeisterschaften Ost (C-SchülerInnen, A-SchülerInnen) in Hohen Neuendorf statt. Aus unserem Verein hatten sich Bennet, Elijah, Anja und Nick qualifiziert.

Elijah hat gut mitgespielt, musste aber feststellen, dass an diesem Tag gegen das spinbetonte Spiel seiner Gegner kein Kraut gewachsen war. Wie gut, das Markus, sein Vater, dabei war und ihn wieder aufbauen konnte.

Auch Bennet startete in der Schüler-C Konkurenz und konnte mit seinem starken Ballgefühl, Nervenstärke und guter Technik bis ins Viertelfinale vordringen. Hier lieferte er sich ein spannendes Match gegen den späteren Sieger der Konkurenz, Louis. Ein ums andere Mal spielte Bennet sein Gegenüber mit platzierten Rückhand-und gefühlvollen Vorhandangriffsschlägen aus. Erst im 5. Satz siegte Louis knapp aufgrund seiner besseren Topspins. Auch Bennets Vater war dabei und half bei der Betreuung.

Nick konnte in der starken A-Schüler Konkurenz viel Erfahrung sammeln. So erkannte er selbst einen Schwachpunkt seines Spiels: „Ich muss dringend an meinem Aufschlag arbeiten.“

Anja startete vielversprechend mit einem 3:2 Sieg gegen Angstgegnerin Leonie aus Finow. „Gegen die habe ich seit zwei Jahren nicht mehr gewonnen“, erklärte sie glücklich. Nach einem klaren 3:0 zog Anja als Gruppenerste ins Halbfinale ein und traf auf Victoria Arndt. Die war heute aber eine Nummer zu stark.

Im kleinen Finale um Platz 3 traf Anja auf die Zwillingsschwester, Veronica. Das Spiel war sehr ausgeglichen, die Entscheidung musste also im 5. Satz fallen. Ausgerechnet in dieser entscheidenden Phase schwächelte Anja und beim Spielstand von 1:7 rief ich: “ Timeout“. Anja kam mit hängenden Schultern zur Bande und fing an über das Netz, den Hallenboden, ihren Schläger und die Gegenspielerin zu meckern. Ich wußte nicht was ich sagen sollte. Nach einem Moment der Stille hatte ich eine Idee und sagte: „Das kannst Du sowieso nicht mehr gewinnen, spiel so, wie es Dir Spaß macht, versuch mal was neues, spiel mit der linken Hand oder so…“ Anja musste lachen und antwortet: „Was, nicht mehr gewinnen, spinnst Du, toller Trainer…“

Das Spiel ging weiter und Anja machte den ersten Punkt, den Zweiten, den Dritten und so weiter. Beim Spielstand von 6:8 nahm Victorias Trainer ebenfalls eine Auszeit, doch Anja war nicht mehr zu stoppen. Sie spielte jetzt auf der Siegerstraße und brachte das Ding mit 11:9 nach Hause.

Nachdem sie ihren Erfolg etwas verdaut hatte, fragte sie: „Meintest du wirklich, dass ich das Spiel nicht mehr gewinnen könne?“ Ich überlegte und antwortete: „Ich weiß es nicht.“

1 2 3 4