Beim letzten Spieltag hat mich Tom positiv überrascht. Er hatte uns Trainer im Oktober letzten Jahres gebeten, ihn bei Punktspielen nicht mehr zu coachen. Die Begründung war, dass er sowieso schon wisse, was er falsch mache und dass ihn das viele Reden aus dem Konzept bringe. Kurz gesagt, er war genervt von unseren Versuchen ihn zu unterstützen. Ich bin der Meinung, dass einer solchen Bitte unbedingt entsprochen werden sollte und so haben wir es dann auch gemacht. Trotzdem mir immer wieder aufmunternde Worte und taktische Hinweise auf den Lippen lagen, habe ich selbige zusammengebissen und geschwiegen.
Das ging bis letzten Sonntag. Vor unserem Spiel gegen Hohen Neuendorf hat Tom von sich aus um Unterstützung nachgefragt. Wir haben zwar klar mit 0:10 verloren – Coaching ist eben auch kein Wundermittel – aber Tom hat dabei so gut gespielt, wie lange nicht mehr und nur knapp verloren.
Was ist eigentlich Coaching? Gibt es objektive Kriterien, für gutes Coaching? Und welche Interventionen sollte man lieber weg lassen?
Zuerst ist es wichtig, zwischen Training und Coaching zu unterscheiden. Im Training geht es darum Fähigkeiten und Fertigkeiten einzuüben, also z.B. die Bewegungsabfolge eines Topspins wiedergeben und ausführen zu können. Das Ausführen steht im Vordergrund, denn durch die hohe Geschwindigkeit des Sports, hilft es dem Spieler nicht, zu wissen, wie er auf einen Ball des Gegners reagieren sollte, er braucht Automatismen, die erst durch viele Wiederholungen eingeübt werden. Das Wissen, um die korrekte bzw. beste Ausführung des Tischtennisspiels ist bei fortgeschrittenen Spielern aber auch sehr wichtig, denn dadurch erlangen sie die Fähigkeit selbst zu erkennen, was gerade nicht optimal läuft und wie sie es ändern können.
Worum geht es beim Coaching?
Coaching umfasst:
(1) alle Beratungs- und Betreuungsmaßnahmen, die zu einer Leistungsoptimierung im Wettkampf führen.
(2) alle Hilfen zur optimalen Gestaltung der inneren und äußeren Bedingungen im Wettkampf.
(3) die Analyse des Wettkampfverhaltens und Schlussfolgerungen fürs folgende Training.
Es geht also beim Coaching um alles, was dazu führt, dass der gecoachte (Coachee) eine möglichst gute Wettkampfleistung erreicht.
Vorbereitung
Es ist wichtig, dass der Coach die technischen und taktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Coachees kennt. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Spieler die Hinweise des Coachs auch annehmen und umsetzen kann. Weiß er z.B., dass der Spieler keinen Flip spielen kann, sollte er diesen auch nicht verlangen.
Ein wichtiger Faktor ist der Druck unter dem ein Spieler steht. Setzt er sich selbst hohe Erwartungen und verkrampft leicht, so kann man die Wichtigkeit des Ergebnisses relativieren. Ich lenke dann z.B. gerne die Aufmerksamkeit auf den Spaß, den der Spieler empfindet, wenn ein Schlag gut gelingt und sage: „Das Ergebnis steht nur an zweiter Stelle, wichtiger ist, dass Du heute ein gutes Gefühl zum Ball hast. Erinnere Dich doch mal an das geile Gefühl, wenn du den Ball perfekt triffst und richtig einen raus haust!“
Der Coach sollte die Erwartungen, die der Coachee an ihn hat, klären. Was hilft dem Spieler am meisten? Möchte er Hinweise zum taktischen Verhalten haben, möchte er Verbesserungen zu den Bewegungsabläufen erhalten oder geht es ihm hauptsächlich darum mental gestärkt zu werden?
Genauso sollte geklärt werden ob ein Spieler überhaupt unterstützt werden will und wenn ja, von wem. Manchmal möchte ein Spieler lieber von einem Mitspieler betreut werden und bei Eltern – Kind Konstellationen ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich das Kind von den Eltern nichts sagen lassen will.
Wettkampfbegleitung
Vor dem Spiel achtet der Coach auf die richtige Durchführung der Erwärmung und des Einspielens. Diese Phase sollte konzentriert aber auch mit einer gewissen Lockerheit verlaufen. Das Einspielen steigert sich von leichten zu anspruchsvollen Schlägen und fördert die Sicherheit des Spielers. Kurz vor dem Spiel erinnert der Coach nochmal an die wichtigsten taktischen Überlegungen und bringt den Spieler in ein optimales Aktivierungsniveau. Das kann bedeuten, dass ein besonders motivierter Spieler etwas beruhigt wird, ein eher ängstlicher Spieler hingegen gepusht wird.
Die Ansprache könnte z.B. sein: „Denk an diese drei Punkte. 1. Spiel auf die Rückhand Deines Gegners, das ist sein Schwäche, 2. Visualisiere Deinen Aufschlag vor der Ausführung, 3. Richte 100% Deiner Konzentration auf Ball und Gegner. Showtime, zeig ihm, was Du kannst!“
Während des Spiels
Bis auf die Satzpausen und den Time-Out, ist der Spieler auf sich alleine gestellt. Es ist sehr umstritten, ob Zwischenrufe in den Ballpausen gut oder schlecht sind. Ich habe mir angewöhnt gelegentliche Zurufe wie z.B.: „Klasse Schlag, jetzt hast Du es raus, Schade – fast getroffen“ zu machen. Für den Ausruf: „Jetzt hast Du ihn im Griff“ habe ich auch schon mal Kritik vom gegnerischen Coach geerntet. Nicht ganz unberechtigt, schließlich beeinflusse ich damit nicht nur meinen Spieler positiv sondern auch sein Gegenüber negativ.
Wichtig ist auch die Körpersprache des Coachs. Er sollte jederzeit Interesse, Zuversicht und Vertrauen in den Spieler ausstrahlen. Jeder Spieler nimmt nämlich unterbewusst wahr, ob der Coach noch auf seiner Seite ist oder ihn schon abgeschrieben hat. Die verschränkten Arme, Hände über den Kopf schlagen oder Gespräche mit dritten sollten, auch wenns schwer fällt, vermieden werden.
Satzpausen und Time-Out
Die große Stunde des Coachs bricht in Satzpausen und dem Time-Out an, denken manche Trainer und reden ununterbrochen auf ihren Schützling ein. Es sind aber nur 60 Sekunden und da beweist sich das Sprichwort: „Weniger ist mehr.“
Als 1. sollte sich der Spieler entspannen. Dazu ist es gut ihm z.B. etwas zum Trinken zu reichen – das Ritual ihm seine Flasche zu geben ist alleine schon eine beruhigende Geste. Dann hat der Spieler kurz Gelegenheit, sein Erleben des gespielten Satzes mitzuteilen. Das könnte z.B. sein: „Ich komme mit seinem stark unterschnittenen Rückhandaufschlag nicht klar, das gibts doch gar nicht, ich habe bestimmt zehn Mal die Kante getroffen, mein Topspin hat heute ne gute Länge und viel Rotation.“
Wichtig ist, den Spieler ausreden zu lassen und nicht gleich mit Verbesserungen zu kommen.
Im zweiten Teil der Pause gibt der Coach 1-3 taktische Hinweise und bringt den Spieler in einen motivierten, konzentrierten und zuversichtlichen Zustand.
Ich habe festgestellt, dass Hinweise zu technischen Details, wie z.B. „schließ den Schläger, denk an die korrekte Beinstellung oder zieh über den Tisch“, nichts bringen oder sogar einen negativen Effekt haben. Der Spieler achtet dann nur noch auf die gesagten Details und damit verschlechtern sich alle anderen, bisher ganz gut gemachten Elemente.
Besser ist es relativ abstrakte taktische Hinweise zu geben. Diese sollten unbedingt positiv ausgedrückt werden. Ich erinnere mich gut an ein Spiel, in dem ich beim Spielstand von 10:8 – nach 10:5 – im 5. Satz vorne lag, eine Auszeit genommen habe und ein gut meinender Mitspieler zu mir sagte: „Macht nichts, wenn Du die nächsten Bälle ins Netz haust, dann steht’s 10:10 und Du hast immer noch eine Chance.“ Ich merkte, auf dem Weg zurück zur Platte wie sich der Gedanke „Ball ins Netz hauen“ in meinem Kopf breit machte und ich einige Mühe hatte ihn wieder loszuwerden und durch das Bild eines guten, platzierten Aufschlags zu ersetzen. Das Spiel ging 10:8 für mich aus!
Positive taktische Hinweise
Hier ein paar Beispiele, was man besser nicht sagt und was eine Alternative sein könnte:
Negative Anweisung – vermeiden |
Positive Anweisung – nutzen |
Spiel nicht in die Vorhand. |
Spiel öfter in die Rückhand. |
Hab keine Angst. |
Spiel mutig, Trau Doch. |
Du bist viel zu langsam. |
Stell dich schneller zum Ball. |
Spiel nicht so verkrampft. |
Spiel locker, Mach Dein Spiel. |
Jetzt bloß nicht nachlassen. |
Halte durch, Du schaffst es. |
Mach keine langen Aufschläge. |
Schlag kurz auf. |
Sei nicht so unkonzentriert. |
Lass Dir Zeit, konzentrier Dich. |
Schrei nicht so rum. |
Bleib ruhig. |
Lauf nicht immer vom Tisch weg. |
Bleib vorn am Tisch. |
Fazit
Nobody is perfekt und das gilt auch für uns Tischtennis Trainer. Wenn die Emotionen hoch kochen vergessen wir oft alle guten Vorsätze und sind dann so, wie wir schon immer waren und das kann ganz anders sein, als hier beschrieben. Das ist auch ok und gleichzeitig glaube ich fest daran, dass sich jedes Verhalten in jedem Alter auch verändern lässt!
Viele Spieler haben übrigens ganz bemerkenswerte Fähigkeiten entwickelt mit dem Coaching umzugehen. Ein Jugendlicher erzählte mir mal: „Ich hör gar nicht hin, was der sagt, das einzige, was mich interessiert ist, ob er mir eine Schwäche beim Gegner sagen kann.“